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Der Musculus pterygoideus lateralis ist der wichtigste Indikator

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Vereinzelt wird bezweifelt, ob der Musculus pterygoideus lateralis überhaupt palpierbar ist. Andere glauben, dass er beim Palpieren immer schmerzhaft sei und dass daher eine Druckdolenz keine Aussagekraft hat. Dass er getastet werden kann, wurde am anatomischen Präparat gezeigt. Dass er keineswegs immer schmerzhaft ist, zeigt die praktische Erfahrung. Mehr noch, die Palpation dieses Muskels ist eine der aussagekräftigsten Untersuchungen überhaupt.

Tatsache ist, dass sich am Musculus pterygoideus lateralis die Geister scheiden. Doch werfen wir zuerst einen Blick auf seine Besonderheiten: Der Muskel hat einen oberen und einen unteren Kopf. Der obere Kopf hat seinen Ursprung an der Crista infratemporalis des großen Keilbeinflügels und inseriert am Diskus. Der untere Kopf entspringt der Lamina lateralis des Processus pterygoideus und setzt am Gelenkfortsatz des Kiefergelenks an. Der Verlauf beider Anteile des Muskels ist von dorsolateral nach anteromedial, woraus sich seine Funktion ableiten lässt: Zusammen mit der Mundbodenmuskulatur öffnet er den Kiefer. Er ist der einzige Kaumuskel, bei dem alle Anteile der Protrusionsbewegung dienen. Eine einseitige Kontraktion führt zu einer Mediotrusion auf der gleichen Seite. 

Das ist der Punkt, der möglichweise im Hinblick auf eine CMD am allerwichtigsten ist: Ein Bruxieren über dorsal gelegene Balancekontakte erfordert eine starke Aktivität dieses Muskels, wobei er von keinem anderen Kaumuskel Unterstützung erfährt. Die klinische Erfahrung bestätigt in vielen Fällen, dass der Musculus pterygoideus lateralis auf der Seite stark druckdolent ist, auf der Balancekontakte nachweisbar sind. Beim Bruxieren über dorsal gelegene Arbeitsseitenkontakte hingegen kann der Palpationsbefund völlig unauffällig sein. Typisch für eine Myalgie dieses Muskels ist, dass sie häufig mit Kopfschmerzen assoziiert ist und dass in vielen Fällen der Verdacht auf eine psychisch belastende Situation besteht. 

Beeindruckend ist immer wieder, mit welcher Heftigkeit die Reaktion bei einer Palpation ausfallen kann: Der Patient geht vor Schmerz förmlich an die Decke. Die Myalgie kann in die Umgebung aussstrahlen und eine apikale Druckdolenz des oberen 7ers und sogar 6ers nach sich ziehen, die natürlich das Risiko einer diagnostischen Fehlinterpretation mit sich bringt. Bei einer geringen Schmerzhaftigkeit ist oft der Vergleich der rechten und der linken Seite hilfreich, wenn eine Seite stärker reagiert. 

Vereinzelt wird behauptet, dass der Muskel gar nicht palpierbar sei, sondern dass man stattdessen eine Insertionstendinopathie des Musculus temporalis tasten würde. Das Caput superior ist sicher nicht tastbar. Über die Tastbarkeit des Caput inferior hingegen gibt es eine Studie, die diese sowohl am anatomischen Präparat als auch an einem Probanden bestätigt. Entscheidend ist aber aus klinischer Sicht, dass ein positiver Tastbefund, ganz egal welche Strukturen exakt beteiligt sind, ein äußerst starker Hinweis auf das Vorliegen einer CMD ist, oftmals aber auch der einzige. Insoweit ist es nicht nachvollziehbar, dass eine Untersuchung wie der Screeningtest nach Ahlers und Jakstat gänzlich auf die Palpation dieses Muskels verzichtet.

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