CMD Konzept
Praxisgerechte Diagnose und Therapie
der Craniomandibulären Dysfunktion
Okklusionsprüfung - aber richtig
Es gibt viele Möglichkeiten, die Okklusion zu prüfen. Die einfachste Form der Okklusionsprüfung ist der Klappertest im CMD-Screening nach Ahlers und Jakstat. Am häufigsten wird die Anwendung von dünner Okklusionsfolie oder von Shimstock empfohlen, manchmal auch die Anfertigung von Okklusogrammen aus Silikon. Leider sind all diese Methoden im Hinblick auf die Diagnose einer CMD vollkommen ungeeignet.
Im Zusammenhang mit einer CMD soll eine Okklusionsprüfung Störkontakte in den Exkursionsbewegungen zuverlässig darstellen. Außerdem soll sie die beim Bruxieren entstehenden horizontalen Auslenkungen der Zähne und gegebenenfalls auch Schmerzen provozieren können. Doch so sehr dünne Okklusions- und Shimstockfolien wertvolle Hilfsmittel des restaurativ tätigen Zahnarztes sind, so sehr sind sie für diese Aufgabe wertlos. Sie sind nämlich viel zu dünn und der Patient hat viel zu wenig "zwischen den Zähnen", um eine Belastung wie beim Bruxismus zu provozieren.
Das Mittel der Wahl ist 200 µm dickes Blaupapier, auf dem der Patient fest knirscht. Dabei ist es immer wieder beeindruckend zu sehen, wie stark die Seitenzähne des Oberkiefers unter Belastung auslenken: Selbst bei männlichen Patienten mit einem massiven Knochenbau und sehr festen Zähnen schwingen diese wie Bäume im Wind. Sind nur einzelne Zähne überlastet, so kann man beobachten wie sie sich bewegen, während die Nachbarzähne das nicht tun. Wenn das Parodontium gereizt ist, kann mit dem Blaupapier ein Schmerz beim Bruxieren ausgelöst werden. Das Zeichnen der Kontakte, die Auslenkung und die Schmerzhaftigkeit im Provokationstest zusammen ergeben Hinweise darauf, welche Zähne am Schmerzgeschehen beteiligt sind.
Es gibt kaum andere Verfahren, die das gleiche leisten können wie dickes Blaupapier. Am nächsten scheinen noch die elektronischen Verfahren mit Geräten wie T-Scan 10 und Occlusense zu kommen, bei denen eine den ganzen Kiefer abdeckende Sensorfolie die einwirkenden Kräfte misst. Sehr aussagekräftig ist auch der BruxChecker®, der aus einer 0,1 mm dicken Folie besteht, die auf einem Oberkiefer-Gipsmodell tiefgezogen wird. Der Patient trägt die Folie für zwei Nächte, danach kann von den durchgewetzten Stellen auf das Muster des Bruxismus geschlossen werden. Damit konnte in den letzten Jahren sehr viel über die schädlichen Auswirkungen bestimmter Muster des Bruxismus auf Kiefergelenke, Kaumuskulatur und Zähne erforscht werden. Für den Praktiker ist der Umweg über die Tiefziehfolie jedoch zu umständlich.
Überwiegend jedoch bestreitet die Wissenschaft hartnäckig einen Zusammenhang zwischen der Okklusion und funktionellen Problemen. Eine Studie fordert sogar keck, dass die Zahnärzte einen alten Leitsatz der Funktionstherapie aufgeben mögen. Doch werfen wir einmal einen Blick darauf, welche Formen der Okkusionsprüfung empfohlen werden. Die dünne Okklusionsfolie und die Shimstockfolie, zu denen wohl am häufigsten eine Empfehlung ausgesprochen wird, wurden schon eingangs bewertet. Die Okklusionssprüfung mittels eines Klappertests und durch visuelles Aufsuchen "altersuntypischer Gleithindernisse" im Screeningbefund nach Ahlers und Jakstat steht sicher den Untersuchungen nach, die sich eines Hilfsmittels bedienen. Ein Okkusogramm aus Silikon, bei dem der Patient widerstandslos ins Leere beißt, kann naturgemäß keine Belastungsverhältnisse anzeigen.
Eine vielfach erhobene Forderung ist es, vor einem Eingriff in die Okklusion eine Analyse an zentrisch einartikulierten Gipsmodellen vorzunehmen. Will man die Bisslage insgesamt beurteilen, ist dieses Vorgehen in der Tat das Mittel der Wahl. Denn während die durch Zahnkontakt gelenkte Okklusion bei der Betrachtung im Mund völlig unauffällig sein kann, offenbaren sich bei einer Modellanalyse, bei der die Kieferrelation durch das muskuläre Gleichgewicht bestimmt ist, möglicherweise nicht für möglich gehaltene Besonderheiten. Solche können eine Diskrepanz zwischen zentrischer und habitueller Okklusion oder ein einseitig offener Biss sein.
Die Folgerung, dass die Modellanalyse auch für die Beurteilung von Fehlkontakten in den Exkursionsbewegungen das optimale Mittel ist, erweist sich jedoch als grundfalsch. Hierzu müssten nämlich alle komplexen Bewegungen der Kiefergelenke, die ja bei weitem nicht nur in einer Rotations- und Gleitbewegung bestehen, vollständig registriert und in den Artikulator übertragen werden. Selbst wenn das gelänge, was de facto unmöglich ist, könnten die starren Gipsmodelle die Auslenkung der Zähne, wie sie im Mund unter Belastung stattfindet, nachvollziehen.
Für die Analyse von Exkursionskontakten gilt daher, dass der Patient der beste Artikulator ist. Daher gibt es keine vernünftige Alternative zu einer Okklusionsprüfung im Mund mit den richtigen Hilfsmitteln. Solange die Wissenschaft die falschen Mittel empfiehlt und darauf ihren Wissensstand begründet, muss man ihr die Berechtigung absprechen, einen Zusammenhang zwischen Okklusion und CMD auszuschließen.