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AutorenbildAlois Turba

Eine CMD nach der KFO-Behandlung

Aktualisiert: 20. Dez. 2021



Kürzlich war eine 32-jährige junge Frau mit einem sehr gepflegten Gebiss bei mir zur Routineuntersuchung. Sie erzählte mir ihre Krankengeschichte, die ich, obwohl sie bereits seit 14 Jahren bei mir in Behandlung ist, bisher noch nie so wahrgenommen hatte.


Sie hatte als Jugendliche eine kieferorthopädische Behandlung bei einem Facharzt bekommen, mit dem aus meiner Sicht die Erfahrungen ausnahmlos gut waren. Nach Abschluss der KFO-Behandlung litt sie jede Nacht unter einem starken Bruxismus und bekam so starke Muskelverspannungen, dass sie den Mund nicht mehr öffnen konnte. Anfangs half sie sich damit, dass sie die Kaumuskulatur am aufsteigenden Ast mit Daumen und Zeigefinger nach vorne ausstreifte, was etwas Besserung brachte. Dann suchte sie einen Osteopathen auf, dessen Behandlung nur begrenzt wirkte, und einen Therapeuten, der mit einer Akupunktur am Kiefergelenk eine deutliche Verbesserung der Beschwerden zumindest für ein paar Wochen herbeiführen konnte.


Auf Anraten des Osteopathen ging die Patientin schließlich zu einem anderen Kieferorthopäden. Dort bekam sie eine Aufbissschiene, die eine deutliche Besserung brachte und die sie über fünf Jahre hinweg trug. Allerdings wollte sie nicht dauerhaft auf die Schiene angewiesen sein. So entschloss sie sich zu einer neuerlichen kieferorthopädischen Behandlung, deren Ziel eine Protrusion der Oberkieferfront um drei Grad war. Seitdem, so sagt sie, sei sie völlig beschwerdefrei, wobei sie hinzufügt, sie habe sich das Bruxieren selber abgewöhnt.


Da ich gar nicht glauben kann, dass das ganze Geschehen völlig an mir vorübergegangen ist, schaue ich in den Aufzeichnungen des Krankenblatts nach. Vor zehn Jahren, als die Patientin 22 Jahre alt war, findet sich der erste relevante Eintrag: Hier berichtete die Patientin offenbar erstmals, dass die Kaumuskulatur verhärtet sei. Eine leichte Abrasion der Dreier fällt auf und es ist dokumentiert, dass ich Balancekontakte an den 7ern eingeschliffen habe.


Danach sehe ich die Patientin, wahrscheinlich bedingt durch ihr Studium, drei Jahre lang nicht mehr. Als sie wiederkommt, gibt sie leichte Beschwerden der Kiefergelenke an. Die Mundöffnung bei der Routineuntersuchung schmerzt. Sie berichtet, dass die Einschleifmaßnahmen vor drei Jahren nichts gebracht haben. Klinisch sind noch Balance- und Arbeitsseitenkontakte im Molarenbereich nachweisbar. Ich biete der Patientin drei Therapieoptionen an: Eine Aufbissschiene, das Massieren der Kaumuskulatur und nochmaliges Einschleifen. Die Patientin verweist darauf, dass sie von ihrem Kieferorthopäden bereits eine Aufbissschiene bekommen habe, die zu noch mehr Problemen geführt hätte, und dass sie in osteopathischer Behandlung sei.


Als die Patientin nach eineinhalb Jahren wieder meine Praxis aufsucht, ist sie bereits bei ihrem neuen Kieferorthopäden in Behandlung. Von ihm weiß sie, dass bei ihr die habituelle und die zentrische Bissposition angeblich nicht übereinstimmen. Dort bekommt sie auch die Aufbissschiene, die sie mehrere Jahre bis zur kieferorthopädischen Protrusion der Front trägt. Bei einer professionellen Zahnreinigung ein weiteres Jahr später hat sie immer noch Probleme mit der Mundöffnung. Einen Aufbisskeil aus Silikon toleriert sie nicht. Noch ein Jahr später berichtet sie von einer Stressabhängigkeit ihrer Beschwerden.


Anfangs bin ich skeptisch, ob eine Protrusion der Front um drei Grad wirklich so viel ausmacht. Mit dem Taschenrechner ermittle ich dann aber, dass bei einer reinen Rotationsbewegung der Zähne der Platzgewinn fast einen Millimeter beträgt. Das ist ein erheblicher Betrag.


Vieles in diesem Fall lässt sich nicht eindeutig nachvollziehen, dazu bräuchte man Behandlungsunterlagen wie die einartikulierten Modelle. Dennoch kann man die Warnung daraus entnehmen, dass eine Bisslageabweichung, die bei der Untersuchung im Mund nicht wahrnehmbar ist, zu großen Problemen führen kann. Dass gilt nicht nur für die KFO, sondern auch für Zahnersatz, wenn die Frontzahnführung zu steil ist oder eine forcierte Bissnahme erfolgte. Wenn nämlich das Kiefergelenk durch den Biss zu weit dorsal positioniert wird, bedeutet das für sich betrachtet einen enormen Stressfaktor. Wie zu erwarten bringt ein Einschleifen der Exkursionen keinen Erfolg, wenn die fehlerhafte Bisslage weiterbesteht.

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